ENGLAND
FOUR SEASONS IN JUST ONE DAY
Ich gestehe es freimütig. England gehört nicht unbedingt zu den Reisezielen, welche ganz oben auf meiner Liste standen. Nicht dass ich nicht schon einmal da gewesen wäre: Schlechtes Wetter und ein paar Jungendliche mit Frustrationshintergrund…. so zumindest erinnerte ich mich. Ungefähr 20 Jahre nach meinem letzten Besuch bot sich unverhofft die Möglichkeit, Enland noch einmal anders kennenzulernen. Bei den Vorbereitungen des Fluges half neben der AIP (Aeronautical Information Publication – die luftfahrtrelevanten Vorschriften und Informationen des jeweiligen Landes) auch die Seite Fliegen in UK; die Luftfahrtkarten für UK und die Niederlande waren schnell online bestellt so dass es am 17.10.2019 um 15.00 Uhr Ortszeit losgehen konnte. Insgesamt drei Telefonate mit dem DWD (Flugwetterberatung des Deutschen Wetterdienst) ließen hoffen, dass ich sowohl hin als auch zurück käme….
Das erste Leg führte von Braunschweig (EDVE) an Amsterdam vorbei nach Norwich (EGSH). Warum Norwich? Weil es der erste größere Platz auf der direkten Route war und weil man die kleineren, umliegenden Plätze im webbasierten GAR-Formular (General Aviation Report – Anmeldeformular für die Ein- und Ausreise bei den britischen Behörden) nicht auswählen konnte. Eigentlich wäre ich lieber nach Old Buckenham Airfield geflogen – der Internetauftritt des historischen Flugplatzes sahen vielversprechend aus. Auf diesen kleineren Flugplätzen geht es in der Regel familärer und unbürokratischer zu, was ich sehr schätze. Größere Flugplätze hingegen bieten zumeist eine entsprechende Infrastruktur: Hotel, Mietwagen oder einfach nur ein Imbiss. Das Wetter war – bis auf eine kleine Teilstrecke hinter Hannover auf diesem ersten Abschnitt ganz passabel. Die wesentlichen Erkenntnisse dieses ersten Legs lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Entgegen meiner befürchtungen klappen Funk und Abstimmung mit „Dutch Mil“ hervorragend. Dutch Mil ist das Rufzeichen der niederländischen ATC (Air Traffic Control – Luftverkehrskontrolle), die auch Dienste für zivile Luftfahrzeuge anbieten, z.B. die Genehmigung für den Einflug in bestimmte Lufträume erteilen.
- An der niederländischen Küste ist man aufgrund des darüberliegenden Luftraums A gezwungen, unterhalb von 1500 ft (ca. 500m) ein ganzes Stück auf die See hinauszufliegen, bevor man den Steigflug einleiten kann. Für den Piloten bedeutet eine größere Höhe ein höheres Maß an Sicherheit, einfach dehalb, weil er im Falle eines Problems mehr Zeit zum Reagieren hat und die Strecke, die im Gleitflug zurückgelegt werden kann, entsprechend größer ist. 1500 ft über dem nicht ganz so warmen Wasser des Ärmelkanals war unterhalb meiner Wohlfühlgrenze
- Die Überquerung des Ärmelkanals dauert an dieser Stelle ungefähr eine Stunde; während des Überflugs habe ich genau drei Schiffe gesehen, welche mich schlechtestenfalls hätten rausfischen können. Das sind weit weniger als ich erwartet hatte. Zurück fliege ich auf jedenfall über Calais!
In Norwich besteht Handlingspflicht, welches von Saxonair angeboten wurde. Das ist zwar nicht günstig, aber der Service war erstklassig. Nächtigen kann man im fußläufig erreichbaren HolidayInn; Avgas erhält man von Air BP. Lounge und Kaffee ließen keine Wünsche offen und machen das Wetter erträglicher. Ein hilsbereiter Mitarbeiter von Saxonair hat am nächsten Morgen meinen Flugplan mittels Skydemon aufgegeben – nachdem alle anderen Übermittlungsversuche gescheitert waren. Am 18.10. sollte es eigentlich früh nach Inverness weitergehen; bereits auf der Piste angekommen entschied ich mich zum Abbruch aufgrund des schlechten Wetters. Zurückrollen zu Saxonair; abstellen, Flugplan verschieben. In der Zwangspause habe ich die Gelegenheit genutzt, mich bei den Hubschrauberpiloten, die zu den Bohrinseln pendeln, nach dem Wetter zu erkundigen. Eine Stunde später konnte ich dann mit Sonder-VFR-Freigabe auf der Piste 27 starten und nach ein paar Minuten riss die Bewölkung großflächig auf. Im Funk wird man dann gefühlt alle 5 Minuten zu einer neuen Station übergeben und bekommt jeweils auch einen neunen Transpondercode – was das fliegen doch recht anstrengend macht, wenn man allein im Cockpit sitzt. Etwa 50 NM nördlich von Newcastle musste ich zunächst ein paar Wolken ausweichen bis dann im Steigflug der Motor plötzlich unrund lief. Scottish Radar hat mich darauf hin wieder nach Newcstle übergeben, die mich dankenswerter Weise nach Eshott Airfield gelotst haben, einem kleinen ehemaligen RAF-Flugplatz mit einer wirklich tollen Mannschaft. Der unrunde Triebwerkslauf stellte sich als Vergaservereisung heraus, ein Phänomen, dass dort aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit häufig und plötzlich auftritt. Vor Ort habe ich dann erfahren, dass es bei solchen Wetterlagen dort üblich ist, alle 10 Minuten die Vergaservorwärmung zu ziehen. Der Motor bekommt dann am Auspuff vorgewärmte Luft zugeführt, was der Vergaservereisung entgegenwirkt, jedoch zu die Motorleistung vermindet.




Eshott Airfield ist der einzige geeignete Flugplatz in Northumberland und verfügt über einen netten Clubraum, eine eigene Flugschule und einen Werftbetrieb. „Geeignet“ heißt in diesem Fall: keine Graspiste, die ist nämlich bei solchen Wetterlagen aufgeweicht. Dankenswerter Weise hat Andy vor meinem Rückflug noch einmal einen Blick auf meinen Motor geworfen. Das Schließen des Flugplans nach der Landung – ein zwingend erforderliches Procedere, da andernfalls die Such- und Rettungskräfte alarmiert werden – stellte noch eine nahzu unlösbare Aufgabe dar. Schlussendlich wurde der Flugplan nach telefonischer Absprache von meinem eigentlichen Zielflugplatz, Inverness, geschlossen. Die nächsten 3 Tage war das Wetter so schlecht, dass – abgesehen von einer Platzrunde – keine längeren Flüge möglich waren.
Richtiger Weise müsste ich eigentlich sagen: für mich war das Fliegen nicht möglich. Einer Fluglehrer flog unermüdlich; was einmündig mit „Nothing can stop Peter“ kommentiert wurde. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Peter eine Instrumentenflugberechtigung hat, welche ihm auch das Durchfliegen von Wolken erlaubt – ob dass in einer Cessna 150 Spaß macht steht auf einem anderen Blatt. Gern hätte ich mir die Zeit des Wartens mit Panzerfahren vertrieben, leider hatte das Ungetüm jedoch einen Getriebeschaden, so dass ich die Tank Driving Experience nicht ausprobieren konnte.


Noch am Freitag ging mit einem Fiat 500 weiter, die nächste Nacht verbrachte ich in Edinburgh. Nach ausgiebigem Testen der englischen Straßen würde ich das nächste Mal auf einen LandRover zurückgreifen – also jedenfalls weiß ich inzwischen, warum dieses Gefährt erfunden wurde. Den Fiat musste ich bis Samstag Mittag wider abgeben; die beiden nächsten Nächte verbrachte ich an dem am Flugplatz angrenzenden Mobile-Home. Tagsüber – während ich auf besserers Wetter wartete – hat es mir im Cubhaus an nichts gefehlt. Neben ausgesprochen angenehmer Gesellschaft habe ich von den ortansässigen Piloten auch viel über die Fliegerei in England erfahren. Das Maß an Gastfreundschaft und Führsorge, welches mir zuteil wurde, war wirklich außergewöhnlich! Thank you so much!
Am 22. wurde das Wetter etwas besser, so dass ich mich nach längerem Abwägen für das Tanken, den Erwerb von Pooley Flight Guides und den Weiterflug nach Nottinham entschied. Mein ursprünglichen Plan, an der Küste entlang zu fliegen, habe ich verworfen, da auf dem Weg nach Nottinham zahlreiche Ausweichflugplätze liegen, was man von der Küstenroute nicht behaupten kann. Obwohl Durham eigentlich schon hinter mir lag, entschied ich mich aufgrund des Wetters zur Umkehren und landete dort. Der anschließende Flug nach Nottinham fand dann bei recht schönem Wetter statt.




Nottingham ist ebenfalls ein alter RAF – Flugplatz, bei dem die Landebahnen in Form eines A angeordnet sind; es steht also immer eine Piste zur Verfügung, bei welcher der Wind annährend von vorn kommt. In Nottingham ist Avgas recht günstig und die Landegebühr entfällt, wenn man mehr als 50L tankt. Mit dem Taxi ist man recht schnell in der Stadt.

Abends im Hotel habe ich das GAR-Formular für den Ausflug aus
England sowie das „Prevais de vol entree Schengen“ – Formular für den
Zielflugplatz Calais fertiggemacht. Am nächsten Morgen ging es mit der Buslinie 33 zurück zum Flugplatz. Zu meiner Überraschung war der Flugplatz und das dazugehörige Café ausgesprochen gut von Müttern mit Ihren Kindern besucht. Offensichtlich hat die Luftfahrt in England doch ein anderes Stellenwert als das bei uns. Ich bin erst gegen Mittag gestartet, um dem Nebel Zeit zu geben, sich aufzulösen.
Auch an der englischen Küste bei Dover ragt der Luftraum A recht weit hinaus, so dass ich auch hier erst über der See steigen konnte. Die Kanalüberquerung ging entsprechend schnell, nur antwortete Calais im Funk nicht. Lille Information (der für den Sektor zuständige Fluginformationsdienst) nahm mich dann in Empfang; in Calais selbst waren nur andere Flieger zu erreichen. Nach der Landung teilte mir ein Flughafenmitarbeiter mit, dass keine Kontrolle stattfindet. Nach einer kurzen Stärkung ging es dann über Belgien und die Niederlande weiter nach Braunschweig.
Date of Flight | from | to | Time of Departure (UTC) | Time of Arrival (UTC) | Total Time of Flight | Distance | Remarks |
---|---|---|---|---|---|---|---|
17.10.2019 | EDVE (Braunschweig) | EGSH (Norwich) | 12:49 | 16:06 | 03:17 | ||
18.10.2019 | EGSH (Norwich) | ESHOTT | 08:45 | 11:29 | 02:44 | ||
20.10.2019 | ESHOTT | ESHOTT | 08:45 | 08:56 | 00:11 | Platzrunden | |
21.10.2019 | ESHOTT | EGNV (Durham) | 09:24 | 09:59 | 00:35 | ||
21.10.2019 | EGNV (Durham) | EGBN (Nottingham) | 13:17 | 14:16 | 00:59 | ||
22.10.2019 | EGBN (Nottingham) | LFAC (Calais) | 10:20 | 11:52 | 01:32 | ||
22.10.2019 | LFAC (Calais) | EDVE (Braunschweig) | 12:43 | 15:28 | 02:45 | ||
12:03 |